- Orla - die Kleine Oertze? - FFW Oerrel


Wir sind die
Freiwillige Feuerwehr Oerrel


Direkt zum Seiteninhalt

- Orla - die Kleine Oertze?

über Oerrel > * 1. Rundgang >>>>
  Das Dorf und die Kleine Oertze
Orla – die Kleine Oertze?
Recherche und Text: Ralf Quietmeyer

Die Geschichte unseres Heimatdorfes ist eng mit der Kleinen Oertze verbunden. Es wird angenommen, dass sowohl der Name unseres Dorfes als auch der des kleinen Heidebaches den gleichen Ursprung haben. Aber ist das wirklich so? Welche Hinweise gibt es dazu? Um das herauszufinden, habe ich mich im Internet auf Spurensuche begeben und bin fündig geworden. Da ich weder ein Historiker noch Etymologe bin, kann meine Auswertung der von mir „entdeckten“ Fundstellen zwar nur laienhaft sein, dennoch halte ich es für denkbar, dass sich sowohl der Ursprung des Orts- als auch des Flussnamens anders als bisher angenommen herleiten lassen.

Anhand der von mir im Internet gefundenen Quellen, die alle über die beigefügten Links eingesehen werden können, habe ich versucht mehr über die Ursprünge unseres Dorfnamens und unseres  Heidebaches in Erfahrung zu bringen. Nachdem ich keine aktuellen Informationen über die Herleitung des Namens von Oerrel und Oertze gefunden habe, ist mir dies aber in Büchern aus dem 19. und 20. Jahrhundert gelungen, die ich in verschiedenen Online-Bibliotheken gefunden habe. Diese Bücher wurden damals von Historikern oder Etymologen herausgegeben. Während in heutigen Veröffentlichungen teilweise noch aus diesen Büchern zitiert wird, sind andere Informationen anscheinend in Vergessenheit geraten. Und das gilt auch für die Oertze. Insofern bringt diese spannende Reise in die Vergangenheit hierzu längst Vergessenes wieder ans Licht.

Aus alten Urkunden und Karten wissen wir, dass unser Dorf bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts „Orle“ genannt wurde. Im seinem Buch „Munster – Geschichte und Geschichten“ schreibt Wilhelm Wolter *1) über die Ortschaft Oerrel, dass der Name „Orle“ von „Orla“ oder „Urla“  hergeleitet ist, was so viel wie „kleiner Fluss“ bedeutet. So steht es auch in dem im Jahr 1927 erschienenen „Lüneburger Heimatbuch – Band Volk und geistiges Leben“ von Theodor Benecke.

Hinweis dazu: Das Kürzel „ON“ steht für „Ortsname“. Gemeint sind hier sowohl Oerrel an der Kleinen Oertze als auch Oerrel am Örrelbach bei Hankensbüttel. Das Buch ist zwar unter diesem Link bei Google Books zu finden, allerdings ist es dort nicht komplett freigegeben. Glücklicherweise kann man sich über die Suchfunktion einige kurze Textpassagen anzeigen lassen, wozu zufällig auch der Eintrag auf Seite 105 über Oerrel gehört.

ON Örrel (Orle), an der kleinen Örtze und am Örrelbach. Vgl. fl. Orla, Arla, Urula, Urla. „kleiner Fluß“.


*1) Wilhelm Wolter war in 1960er Jahren Lehrer an der Freudenthal-Schule in Munster

Bei Google Books findet man außerdem in den „Göttingische Gelehrte Anzeigen“ aus dem Jahr 1915 das „Altdeutsche Namenbuch“ von Ernst Förstemann. Darin befasst sich dieser mit den „Orts- und sonstigen geografischen Namen“ und erwähnt dabei auch den Bachnamen „Orla“ mit dem Hinweis auf „Orle“ und „Oerrel“.


Damit wäre das bestätigt, was wir bisher über die Namensursprünge wissen. Ungeklärt bleibt aber weiterhin, aus welcher Epoche und aus welcher Sprache diese Ursprungswörter eigentlich stammen. Um das herauszufinden, habe ich im Internet weiter nach Antworten gesucht.

Bis ins 12. Jahrhundert hinein wurde im heutigen Niedersachsen altsächsisch gesprochen.  Diese Sprache ging etwa ab Mitte des 12. Jahrhunderts ins Mittelhochdeutsche über, das in der Lüneburger Heide bis etwa Ende 1600 gesprochen wurde. Daraus entstand dann das Neuniederdeutsch, das mit dem heutigen Plattdeutsch „verwandt“ ist. Übrigens bedeutete das Wort „platt“ im 16. Jahrhundert so viel wie „gerade heraus“ oder „deutlich“. Unter Plattdeutsch verstand man also eine allgemein verständliche Sprache, im Gegensatz zu dem von Staat und Kirche verwendeten Latein. Das änderte sich im 17. Jahrhundert, als in „gehobenen“ Kreisen vermehrt hochdeutsch gesprochen wurde und „platt“ dadurch mehr und mehr zur Sprache der einfachen Leute wurde.

Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster – Centrum für Niederdeutsch


Das bedeutet für uns, dass wir erstmal wissen müssen, in welchem Jahrhundert Dorf und Bach ihre Namen bekamen. Um das herauszufinden, müssen wir uns zuerst dem ursprünglichen Namen der Oertze zuwenden. „Orla“ soll ja der Name der Kleinen Oertze gewesen sein. Aber wie wurde die Große Oertze ursprünglich genannt?  Wilhelm Wolter schreibt in seinem Buch, dass sie ursprünglich „horz“ genannt wurde, nach einem sächsischen Ausdruck für Pferd, weil der Fluss wie ein Pferd „springend schnell fließt“. Diese Herleitung des Namens wird heute auch bei Wikipedia angegeben, wobei dort hinzugefügt ist, dass dies wahrscheinlich so nicht richtig ist.


In den uns heute aus früheren Jahrhunderten bekannten Landkarten ist die Oertze bereits immer mit diesem Namen eingezeichnet. Anders als die Große Oertze finden wir die Kleine Oertze erstmals sogar erst in einer Karte aus dem Jahr 1786, in der sie unter diesem Namen eingezeichnet ist. Frühere Karten, in denen sie als „Orla“ eingezeichnet wäre, habe ich bisher nicht entdeckt. Im Gegenteil, in noch älteren Karten ist sie gar nicht zu finden. Aber auch die Große Oertze fehlt manchmal in alten Karten. Und wenn, dann wurden Ortschaften, wie z. B. Munster, nicht immer direkt am Flusslauf eingezeichnet, sondern weiter ab davon.

Nachdem heute der Name „horz“ für die Große Oertze mit einem Fragezeichen versehen ist, habe ich versucht, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Hatten der Fluss und der Bach eventuell immer schon einen gleichen Namen? Warum wäre ansonsten aus dem Namen „Orla“ später die Kleine Oertze geworden? Da es schon einen Fluss namens Oertze gab, machte dieser Namenswechsel doch eigentlich keinen Sinn. Es gibt ja auch heute noch in Thüringen einen Fluss mit Namen Orla. Daher halte ich auch einen anderen ursprünglichen Namen der Kleinen Oertze für möglich.

Vielleicht glaubte man damals, dass es sich um einen Nebenarm des gleichen Flusses – nämlich der  Oertze – handelte. Schließlich fließen die Große und die Kleine Oertze – beide von Norden kommend - bei Kreutzen V-förmig zusammen, während alle anderen Nebenflüsse er Oertze von der Seite kommen. Vielleicht war dies auch der Grund dafür, dass der Verlauf der Oertze in historischen Karten unterschiedlich eingezeichnet wurde. Mal verläuft der Fluss mehr nach Osten, was der Kleinen Oertze entsprechen würde, und mal mehr nach Westen.

Wenn die Oertze früher „horz“ genannt worden sein sollte, müssten doch Hinweise darauf zu finden sein. Daher habe ich versucht noch mehr über die Oertze herauszubekommen. Und tatsächlich gibt es eine frühzeitliche Urkunde, aus der deren früherer Name hervorgeht.

Von der Ursena über die Orsßen zur Oertze

Dabei handelt es sich um die Stiftungsurkunde des Bistums Verden aus dem Jahr 786. Zwar ist bekannt, dass dies eine bereits in der Zeit zwischen 1147 und 1150 entstandene Fälschung einer Gründungsurkunde ist, da sie Angaben zu Personen enthält, die für das Jahr 786 noch nicht zutreffen können. Außerdem ist das Bistum Verden erstmals durch eine Urkunde aus dem Jahr 849 belegt. Dennoch handelt es sich um ein historisches Dokument, dass für unsere Namensforschung sehr von Bedeutung ist. Denn auch wenn die Urkunde in zeitlicher Hinsicht eine Fälschung ist, dürften die darin erwähnten Namen der Städte und Dörfer sowie die der Flüsse und Bäche der damaligen Realität entsprechen.

Diese Urkunde wird heute im Niedersächsischen Landesarchiv in Stade verwahrt und kann online über die beiden nachfolgenden Links eingesehen werden. Wie alle Urkunden in früheren Jahrhunderten wurde auch diese in Latein geschrieben. Informationen zu dieser Urkunde gibt das Landesarchiv unter dem nachfolgenden Link zum arcinsys.niedersachsen.de, wo die Urkunde auch in Vergrößerung betrachtet werden kann.


Außerdem kann sie dort auch über den DFG-Viewer betrachtet werden.


Mit freundlicher Genehmigung des Landesarchivs Stade zeigen wir hier ein Bild dieser Urkunde.

Dieses Archivgut steht unter der Lizenz Public Domain Mark 1.0 und ist frei von urheberrechtlichen Einschränkungen. Es darf kostenlos heruntergeladen, weiterverwendet und weitergegeben werden. Bei der Weiterverwertung sind die Archivsignaturen bzw. bei Weiterverwertung im Internet die Permalinks anzugeben.
  
© Archivsignatur: NLA ST Rep. 2 Nr. 1 (Kennzeichnung als Public Domain)
In dieser Urkunde wird unter anderem der Grenzverlauf des Bistums Verden beschrieben. Ein kurzes Stück dieser Grenze verläuft in der Oertze bei Müden. Den Namen „Oertze“ finden wir in dieser Urkunde aber nicht, denn der Fluss wird hier „Ursena“ genannt. Dieser Name ist in der Urkunde sehr leicht zu finden, wenn man sich die Urkunde in der Vergrößerung betrachtet. Ausgehend von dem weißen Fleck unten rechts den nach oben verlaufenden genähten Riss bis zur 2. Zeile von unten folgt. In dieser 2. Zeile steht links und rechts vom Riss „in descensu ursenam et in ascensu ursenae“. Der Riss verläuft hier durch das Wort „ascensu“.

Im 19. Jahrhundert haben sich Historiker mit dieser Urkunde näher befasst. Darin haben sie sowohl über die frühe Fälschung als auch über den in der Urkunde beschriebenen genauen Grenzverlauf des Bistums Verdens in der Oertze bei Müden diskutiert. Und so taucht die Oertze mit ihrem ursprünglichen Namen in mehreren Büchern der damaligen Zeit auf, wodurch sie zu hervorragenden Fundstellen für unsere Namensforschung werden. Die in den Büchern immer wieder zitierte Textpassage aus der Urkunde lautet:

(…) Inde in ortum Geltback et ipsum rivum in descencu in Ursenam, et in ascensu Ursenae in Wizenam, hinc in ortum ejusdem fluminis. (…)

Wörtlich übersetzt heißt das:

(…) Aufsteigend in Geltbach und der Fluss selbst im Abstieg in die Ursena, und am Aufstieg der Ursena in Wizenam, von hier aus demselben Fluss aufsteigend (…)

Heute würden wir schreiben:

(Aufsteigend = von Süden kommend verläuft die Grenze) bis zum Geltbach und folgt diesem Fluss (Bach) bis zur Mündung (absteigend) in die Oertze, in der sie nordwärts bis zur Einmündung der Wietze verläuft, in der sie dann bis zur Quelle (aufsteigend) weiter geht.

Damals konnten die Historiker den „Geltbach“ keinem bekannten linksseitigem Nebenfluss zur Oertze zuordnen. Um welchen Bach es sich dabei handelt ist  bis heute unklar. Es sei darauf hingewiesen, dass dieser Bach südlich von Müden zu suchen ist, so dass er nicht die Kleine Oertze sein kann. Dagegen konnte der in der Urkunde beschriebene Grenzverlauf eindeutig bis zur Einmündung der Wietze in die Oertze bei Müden zugeordnet werden. Demnach verlief die Grenze laut dieser Urkunde in der Oertze, die man im 12. Jahrhundert und wohl auch schon davor auf lateinisch „Ursenae“ nannte, was mit „Ursena“ übersetzt wird, wobei die Schreibweise zwischen „Ursena, Ursine und Ursinna“ wechselt.

In dem im Jahr 1872 erschienenen „Altdeutschen Namenbuch“ von Prof. Dr. Ernst Förstemann ist die „Ursena“ mit dem Hinweis auf die Oertze, einem Nebenfluss der Aller, aufgeführt (Band 2 Ortsnamen, Seite 1517/1518). Auf der Seite 101/102 wird in diesem Buch auch „Orla“ erwähnt. Allerdings nicht als Kleine Oertze und auch nicht als Nebenfluss der Oertze, sondern nur als Ableitung von „Arla“, was in dem Buch wiederum von dem Ursprungswort „Ara“ für „Fluss“ bzw. „Wasser“ hergeleitet wird. Einen erkennbaren Hinweis auf unseren Heidebach gibt es in diesem Buch weder als „Orla“ noch als „Kleine Oertze“.

Unter dem nachfolgenden Link kann das Buch eingesehen werden. Die entsprechenden Seiten werden über die Suchfunktion angezeigt, wenn die Suchwörter „Ursena“ oder „Orla“ eingegeben werden.

Altdeutsches Namenbuch - Google Books                                 2. Neu bearbeitete Auflage 1872
  
Altdeutsches Namenbuch - Google Books                                   1. Auflage 1859

Unter dem Namen „Ursena“ findet man die Oertze auch in dem Buch „Verdener Geschichtsquellen“ aus dem Jahr 1852/56, das bei der Bayerischen Staatsbibliothek online eingesehen werden kann. Dieses Buch beinhaltet unter anderem das „Registrum Ecclesiae Verdensis“ von Andreae de Mandelslo (Domdekan zu Verden, 31. August 1585), dessen Original im  Staatsarchiv Hannover verwahrt wird. Darin geht es um die Beschreibung der Abgrenzung eines Waldgebietes zwischen der damals so bezeichneten Magetheide und der Ursine, also der Oertze.

In der Online-Version des Buches ist die entscheidende Stelle auf Seite 18 zu finden. Angezeigt wird die Seite 4 des „Registrums“. Dort steht unter XXXIII in den Zeilen 11 und 12 folgender in Latein verfasster Text:

Item forestum quod se extendit a magethaida vsque vrsinam et ab vrsina vsque holdenstede, vrsina .,. de orsßen



In diesem Text wurden „Ursinam“ und „Ursina“ zwar mit „V“ also „Vrsinam / Vrsina“ geschrieben, was bei der Übersetzung ins Deutsche ohne Bedeutung ist:

Auch der Wald, der von der Mathheide bis zur Ursine und von der Ursine bis Holdenstede (= Holdenstedt) reicht. Ursine .,. de orsßen  

Das letztes Wort ist nicht lateinisch, sondern der wahrscheinlich erstmals schriftlich erwähnte Name der Oertze. Demnach war der Fluss im 16. Jahrhundert bereits als „Orsßen“ bekannt, so dass sich der Name zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert geändert haben dürfte. Aus „Orsßen“ wurde später dann die „Oertze“. Erst unter diesem Namen wurde der Fluss im Jahr 1740 erstmals in einer Landkarte eingezeichnet.

Im Band 2 der „Verdener Geschichtsquellen“ von Wilhelm von Hodenberg aus dem Jahr 1857 ist im Verzeichnis der „Kirchen und Gefälle, nebst dem Grenzverlauf der Verdener Diözese“ auf der Seite 389 (in der Onlineversion bei Google Books, Seite 369 ) auch die „Orsßen“ mit dem Hinweis auf die Oertze zu finden. Ein paar Seiten weiter - auf Seite 383 (Online ebenfalls Seite 383) folgt im Buch der Hinweis: „Ursena / Hursena“ sowie „Ursinna / Orsßen“. Und bereits auf Seite 210 unten steht unter dem Buchstaben „E“ = „(…) Ursinna, der Örze (…)“ und auf Seite 211 mehrfach  „Örze“. Auf Seite 32 (5. Zeile von unten) „Ursinna“ im lateinischen Text der Beschreibung der Abgrenzung des Jagdbannes in der Magetheide.

Alle Seiten können über die Suchfunktion unter Eingabe des Suchwortes eingesehen werden.


In diesem Buch kann auch im „Internet Archive“ unter folgenden Link geblättert werden.


  

In dem 1883 erschienenen Buch „ Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen“ geht der Autor Ludwig Herrig unter „Neue Beiträge zur Etymologie deutscher Flußnamen“ auf Seite 381 auf die Ableitung des Namens „Ursena“ und auf Seite 403 auf „Ursena = Oertze“ ein. Auf Seite 381 schreibt er ferner, dass „Ursone“ auch im Flussnamen „Luzilursone“ enthalten ist und „kleine Ursena“ und damit „kleiner Fluss“ bedeuten würde. Die „Luzilursone“  ist der heutige „Spüligbach“, ein Nebenfluss der „Lenne“ im Landkreis Holzminden. Auch in diesem Buch gibt es keinerlei Hinweise auf die Kleine Oertze.
Unter dem nachfolgenden Link ist dieses Buch bei Google-Books zu finden. Der Link ist auf die Suchfunktion „Ursena“ eingestellt, wobei oben drei Fundergebnisse angezeigt werden, die man sich durch „weiter“ klicken anzeigen lassen kann.


Darüber schreibt auch Theodor Lohmeyer in seinem 1881 herausgegebenen Buch „Beiträge zur Etymologie deutscher Flussnamen“, das online sowohl bei Google Books als auch im Internet Archiv aufgerufen werden kann.




In seinem Buch schreibt Lohmeyer auf Seite 95 (online Seite 105), dass im Name „Ursena“ das germanische Wort „ars“ für „strömen“ als Grundwort steckt, an dem das Suffix „-en“ angefügt wurde.

Hinweise auf einen Bach namens „Orla“ sind auch in diesem Buch nicht zu finden. Allerdings wird erwähnt, dass „Ursone“ „kleine Ursena“ bedeutet. Könnte da nicht die Kleine Oertze ursprünglich auch „Ursone“ genannt worden sein? Denkbar wäre aber auch, dass sie damals „Urla“ –  und nicht „Orla“ – genannt wurde. Aber noch mal, warum blieb es nicht bei diesem Namen? Warum bekam sie einen Namen, der den Zusatz „Kleine“ erforderlich machte?  

Dass der Name „Orla“ auch heute noch für einen Fluss gebräuchlich ist, beweist der Fluss „Orla“ in Thüringen, bei dem es sich um einen Nebenfluss der Saale handelt. Laut Wikipedia gibt es zur Herkunft des Namens „Orla“ für diesen Fluss zwei Erklärungen. So könnte er slawischen Ursprungs von „orel“ oder „orol“ (für Adler) oder keltischen von „are“ (für Bär) sein.  Im letzteren Fall würde der Name dieses Fluss demnach „Bärenwasser“ bedeuten.


Und auch in Polen gibt es in der Provinz Niederschlesien einen Fluss mit dem Namen „Orla“, der in alten Karten – als Niederschlesien noch zum Deutschen Reich gehörte - mit seinem deutschen Namen „Horle, Hurla oder Horla“ (unterschiedliche Schreibweise in den Karten) eingezeichnet ist. Der heutige polnische Name „Orla“ wird vom polnischen Wort für Adler „orol“ hergeleitet. Die Herleitung der deutschen Namen dürfte aber eine andere sein, nämlich ähnlich der für unseren Bach, sofern der Name „Orla“ zutreffen würde.


Auch wenn bei der Orla in Thüringen auf den ersten Blick der slawische Ursprung „orel“ ins Auge springt, dürfte dieser Ursprung für uns in Norddeutschland wohl nicht zutreffen. Eher könnte der Hinweis auf den keltischen Ursprung – „are“ für Bär für die Oertze nicht ganz abwegig sein, auch wenn das Gebiet der Lüneburger Heide nicht im Verbreitungsgebiet der Kelten lag. Deren Sprache gehörte zur indogermanischen Sprachfamilie, in der das Wort für „Bär“ „*rktos“ (ausgesprochen ähnlich wie Arktos) lautete. Könnte da nicht auch die Oertze ursprünglich als „Bärenfluss“ oder „Bärenwasser“ bezeichnet worden sein, vielleicht weil es hier viele Bären gab?

Der lateinische Name für Bär lautet „ursus“. Der wissenschaftliche Name für den Braunbären lautet „ursus arctos“. Braunbären gehören wissenschaftlich zu den „Ursinae“ – einer Unterfamilie bei den Bären. Spätestens jetzt fällt einem die Ähnlichkeit mit dem historischen lateinischen Namen „Ursenae“ auf. Da es sich hierbei aber um die wissenschaftlichen Namen für den Bären handelt, dürfte dies wohl doch eher Zufall sein. Auch wenn einem bei dieser Herleitung des Namens vielleicht die beiden Sternbilder „Großer Bär“ und „Kleiner Bär“ in den Sinn kommen, was man ja sinngemäß auf die Große und die Kleine Oertze übertragen könnte. Aber auch dies dürfte rein zufällig sein, da die hier in indogermanischer Zeit lebenden Menschen in diesen beiden Sternenbildern keine Bären sondern – so wie heute auch – einen großen und einen kleinen Wagen gesehen haben. Für die Germanen waren dies der „Wodans- oder auch Karlswagen“ und der kleinere „Frauenwagen“.


Allerdings dürfte ein anderes - mittlerweile ausgestorbenes – Tier als Namensursprung für die „Ursena“ in Frage kommen. Nämlich der Auerochse, der altnordisch „ûrr“ oder „urus“ und auf alt- bzw. mittelhochdeutsch „ûr“ genannt wurde. So ist dieses Wort auch im „Altdeutschen Wörterbuch“ von Oscar Schade zu finden, das online bei der Bayerischen Staatsbibliothek eingesehen werden kann.



Und damit blättern wir gleich noch einmal im „Altdeutschen Namenbuch“ von Prof. Förstemann, in dem wir auf Seite 1517/1518 die „Ursena“ gefunden haben.

Altdeutsches Namenbuch - Google Books             2. Auflage 1872
  

Wenn wir uns dort auf die Herleitung des Namens konzentrieren und zum Ursprungswort „UR“ auf Seite 1513/1514 zurückblättern, lesen wir als erstes: „UR. 1. Zu ûro bubalus, urus gehören wenigstens die meisten der folgenden n. (= Namen) und etwas weiter schreibt Förstemann dann unter „URS. Zu den p. n. (= Personennamen) desselben stammes“. Demnach leitet er den Namen „Ursena“ vom Namensstamm „Ur“ ab. Und „ûro bubalus bzw. urus“ sind die alten Namen für den Auerochsen.


Der alte Name der Oertze – Ursena – bedeutet demnach „Auerochsenfluss“.

Allerdings fehlt immer noch der frühere Name der Kleinen Oertze. Während andere kleine Bäche, wie zum Beispiel die „Schmarbeck“, in dem Buch von Förstemann enthalten sind, fehlt dort jeder Hinweis auf unseren Bach. Entweder wurde er einfach nur vergessen oder er war einfach zu unbedeutend, weil er zu klein war. Wenn er in früheren Zeiten aber „nur“ als ein Quellfluss der Oertze angesehen worden sein sollte, dann könnte er eventuell den gleichen Namen - „Ursena“ – oder einen Namen mit der gleichen Herleitung von „Ur“ – also eher „Urla“ anstatt „Orla“ – gehabt haben.
Auf den beiden Ausschnitten der Karte des Amtes Ebstorf aus den Jahren 1773 und 1775 ist das  komplette Einzugsgebiet der Großen und der Kleinen Oertze zwischen ihren Quellen und Poitzen zu sehen. Deutlich zu erkennen ist, dass beide Flüsse von Norden kommend bei Kreutzen V-förmig zusammenfließen. Das ganze Gewässersystem sieht auf der Karte so aus wie ein Geweih oder wie die Hörner eines Tieres – eines Auerochsen. Sicherlich ist es ein Zufall, denn die Menschen damals hatten „diesen Blick von oben“ ja nicht gehabt. Aber das beide Flüsse „irgendwie‘“ zusammen gehören und daher den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Namen bekamen, wäre denkbar.
  

















© Niedersächsisches Landesarchiv ha_kartensammlung_nr._31_m_15_pg
  

















© Niedersächsisches Landesarchiv ha_kartensammlung_nr._31_m_17_pg
Dieses Archivgut ist Eigentum des Niedersächsischen Landesarchivs in Hannover. Ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Niedersächsischen Landesarchivs dürfen diese Abbildungen nicht gespeichert, reproduziert, archiviert, dupliziert, kopiert, verändert oder auf andere Weise genutzt werden.

Andererseits könnte es aber auch sein, dass sich nicht der Name „Orle“ vom Bachnamen herleitet, sondern der Name für Trauen, früher „Trawen“. Laut dem Wikipedia-Beitrag über „Ortsnamen“ tragen nämlich sehr oft die Orte in der Nähe der Mündung den Flussnamen in sich.


Der Ort Trauen ist in alten Landkarten als „Trawen“ zu finden, was auf lateinisch „Travena“ heißen würde. Und das Wort „Travena“ findet man tatsächlich auch  im „Altdeutschen Namenbuch“ für einen Fluss und einen Wald. Allerdings bezieht sich dieser Eintrag auf die „Trave“ (Travemünde) in Schleswig-Holstein. Könnte da nicht auch die Kleine Oertze früher „Travena“ genannt worden sein? Damit würde sich dann die Herleitung des Namens „Trauen“ erklären. Das Wort „trawen“ bedeutet ansonsten aber auch „trauen, vertrauen, anvertrauen“. Unter diesen Begriffen findet man es zum Beispiel in der Lutherbibel von 1545


Im „Winsener Schatzregister“ von 1450 – auf das wir später noch eingehen werden - ist der Ort als „Truwen“ aufgeführt.  Laut dem Duden wird das Wort „trauen“ vom mittelhochdeutschen „trūwen“ und dem althochdeutsch „trū(w)ēn“ hergeleitet, was „fest werden“ bedeutet und mit dem Wort „treu“ verwandt ist, das ursprünglich für „glauben, hoffen, zutrauen“ stand.  Das Wort „treu“ wiederum wird vom mittelhochdeutschen „triuwe“  und dem älterem „getriuwe“, was wiederum vom althochdeutschen „gitriuwi“ hergeleitet wird. Geht man in der Wortherkunft noch weiter zurück, stammt es vom indogermanischen Wort „ter(e)“ für „Baum“ oder eigentlich = „stark, fest wie ein Baum“ ab. Auch im Mittelniederdeutschen bedeutete „ter(e)“ „der zum Baum gehörende“.

Und auch im „Altdeutschen Wörterbuch – Band 2“ von Oskar Schade aus dem Jahr 1882 (online bei der Bayerischen Staatsbibliothek) finden wir unter dem Wort „trûéu“ auch das Wort „trûwên“ und weitere Wortvarianten. Alle mit der Bedeutung von „Zuversicht haben, trauen, glauben, hoffen, sich getrauen, zutrauen“. Gut möglich, dass der Name des Dorfes Trauen davon hergeleitet ist.


Zurück zur Kleinen Oertze, einem Bach, der leider in keinen alten Urkunden erwähnt wird, wohl auch, weil er niemals ein Grenzfluss war. In der Urkunde mit der Grenzbeschreibung des Bistums Verden werden nur die südlich von Kreutzen liegenden Nebenflüssen der Oertze erwähnt. Eine Grenze verlief damals nur wenig weiter südlich, im heutigen Landwehrbach und in dessen Quellfluss „Schmarbeck“.

Selbst im Ämteratlas von Johannes Mellinger aus dem Jahre 1590 ist die Kleine Oertze nicht eingezeichnet, obwohl dieser Atlas aus regionalen Landkarten unserer Region besteht. In der unser Gebiet betreffenden Karte ist der Bach „Schmarbeck“ eingezeichnet, nicht aber die Kleine Oertze. Daher liegen Trauen (Trawen) und Oerrel (Orle) in dieser Karte „auf dem Trockenen“. Die uns betreffenden Karten des Mellinger-Ämteratlas sind auf unserer Homepage unter „Unser Oerrel in alten Karten“ zu finden.

Beim erneuten Blick in Wilhelm Wolters Buch über Munster habe ich eine Fußnote zur Herleitung des Namens der Oertze entdeckt, deren Erläuterung erst auf den letzten Seiten des Buches zu finden ist. Dort heißt es: „Nach Prof. Brückmann soll der Name (der Oertze) von „arsi“, „ursi“ = stark männlich herzuleiten sein, wodurch die Oertze (Ursinne, Ursena, Orsne) die Deutung starkströmende entstünde“. Eine genauere Quellenangabe fehlt allerdings in dem Buch, vielleicht auch, weil Wilhelm Wolter diesem Hinweis keine weitere Beachtung geschenkt hat, sondern bei der Herleitung von „horz“ blieb. Dabei war er aber vielleicht unbewusst auf den ursprünglichen Namen „Ursena“ gestoßen. Denn es gibt weitere Quellen, in denen die „Ursena“ als die heutige Oertze erwähnt wird. Nachfolgend werden die von mir im Internet gefundenen Quellen (historische Bücher aus dem 19. Jahrhundert), die diesen ursprünglichen Namen belegen, vorgestellt.

Bei der Bayerischen Staatsbibliothek ist online das „Hamburgische Urkundenbuch Nr. 1“ von Johann Martin Lappenberg (Hamburg : Voss, 1842. - XXXVIII, 882 Seiten) zu finden. Der Link ist auf die Online-Seite 45 eingestellt, da auf dieser Seite die Textpassage mit „Ursenam“ und „Ursena“  im Text der Gründungsurkunde des Bistums Verden zu sehen ist. In den Fußnoten dieser Seite findet man den Hinweis auf die „Oerze“. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden. In dieser Urkunde findet man auch das lateinische Wort „Travena (im Buch steht Trauena)“ mit dem Hinweis auf die Trave.



Ebenfalls online sind in der Bayerischen Staatsbibliothek zwei Bücher „Verdener Geschichtsquellen, Band 1 und Band 2“  einsehbar. Über die nachfolgenden Links gelangt man jeweils auf die bereits voreingestellten Online-Seiten, auf denen mittels Suchfunktion die Wörter „Ursenam“ und „Ursene“ in den verschiedenen Urkunden-Texten enthalten sind. Im Band 1 findet man u. a. das Dokument: „Dies sind die Namen der Sümpfe und Gewässer, die die Verdener Diozöse begrenzen“. Dort im Absatz zwischen Zeile 21 und 26 zu finden: Hursenam und Hursene. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.



Im Band 2 findet man auf Seite 22 (Seite 14 im Original) und den Seiten vorher den lateinischen Text der Verdener Stiftungsurkunde vom 23. Juni 786. Auf Seite 22 in der 7. und 6. Zeile von unten: „ursenam“ und „ursene“. Noch einmal im Kommentar zu dieser Urkunde auf Seite 264 (256 im Original) und in einem anderen Text auf Seite 271 (263) gleich in den ersten beiden Sätzen zum § 7. Hier dann auch der übersetzte Text mit „Oerze“. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.



Und auch im 2. Band des Buches „Die deutschen Bischöfe bis zum Ende des sechszehnten Jahrhunderts“ von Friedrich W. Ebeling aus dem Jahre 1858 befasst sich der Autor ab der Buchseite 502 (online 520) mit dem Bistum Verden. Darin gibt er den Text der (gefälschten) Urkunde vom 29. Juni 786 wieder und erläutert eine Seite weiter alle darin erwähnten Grenzpunkte sowie Flüsse und Bäche, darunter auch die „Ursenae“ bzw. „Ursenam“.



Dann ist da noch Anton Christian Wedekind, der ein in Lüneburg tätiger Geschichtsforscher war und sich mit der Quellenkritik anderer Historiker beschäftigte. Er äußert sich ebenfalls zu dem umstrittenen Grenzverlauf des Bistums Verden im Gebiet der Oertze. Informationen über A. C. Wedekind findet man bei Wikipedia unter nachfolgendem Link:


In seinem 1821 in Hamburg erschienene Buch „Noten zu einigen Geschichtsschreibern des Deutschen Mittelalters“ weist er auf Seite 75 zum Grenzverlauf in der Oertze darauf hin, dass „in diesem Bereich der Grenze lediglich der Fluss „Ursenam“ als „Oerze“ bekannt ist“. Online ist das Buch bei Google Books und in der Bayerischen Staatsbibliothek:


  


Auch in seinem 1817 in Lüneburg erschienen Buch „Hermann – Herzog von Sachsen“ geht Anton Christian Wedekind auf Seite 109 (Online-Seite 113) auf den Grenzverlauf des Bistums Verden an der Oertze ein. Das Buch ist in der Digitalen Bibliothek des Münchener Digitalisierungs-Zentrums – MDZ – unter folgendem Link zu finden.


Ein weiterer Autor der sich mit dem Grenzverlauf beschäftigte, war E. L. von Lenthe, der auch in seinem 1859 in Celle erschienen Buch „Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg“ auf den Grenzverlauf im Gebiet der Oertze eingeht (Seiten 389 bis 395). Unter dem nachfolgenden Link zu Google.Books ist in der Suchfunktion bereits das Wort „Derze“ hinterlegt, da die Suchfunktion das „O“ wegen des Schriftbildes als „D“ liest.  Auf der Seite 387 sind in diesem Buch auch wieder „Ursinam“ und „Ursina“ sowie „Orzen“ und „Ortzene“ in der Beschreibung der Abgrenzung des Jagdbannes in der Magetheide zu finden.


Dieses Buch ist auch bei der Bayerischen Staatsbibliothek online. Dort kann unter dem nachfolgenden Link in der Suchfunktion gleichzeitig nach den Worten „Ursinam Orzen Derze“ gesucht werden kann. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.



Auch in dem englischsprachigem Buch von Robert Ferguson „Die Flussnamen in Europa“ aus dem Jahr 1862 ist die „Ursena“ mit dem Hinweis: „Jetzt die Oertze“ aufgeführt. Auch dieses Buch kann über den nachfolgenden Link in der Digitalen Bibliothek des Münchener Digitalisierungs-Zentrums – MDZ – eingesehen werden.


In dem 1837 herausgegebenen Buch „Die ältere Diöcese Hildesheim“ von Hermann Adolf Lüntzel findet man nicht nur die Namen „Ursinna“ und „Örtze“ sondern auch „Oerrel (Örrel)“, allerdings ist es nicht Oerrel bei Munster sondern bei Hankensbüttel im Landkreis Gifhorn. Einen Hinweis auf „unser Oerrel“ gibt es dort nicht. Die drei Suchwörter: „Örze Ursinna Örrel“ können in der Online-Version dieses Buches bei der Bayerischen Staatsbibliothek gemeinsam eingegeben werden. Unter nachfolgenden Link gelangt man auf die Buchseite 122 (Online-Seite 138), auf der „Ursinna“ zu finden ist. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.



Über die folgenden zwei Links können zwei vom Autor des Buches erstellte Karten (also keine Originalkarten), mit den Gau-Einteilungen der Diözese Hildesheim um das Jahr 1000 und um das Jahr 1500 eingesehen werden. In der ersten Karte (Jahr 1000) ist oben links, rechts von der Überschrift, die Oertze als „Ursinna“ von ihrer Mündung in die Aller (= in der Karte mit „Elere-Fl.“ beschriftet) bis oberhalb von Müden (in der Karte als „Muthi“ bezeichnet) zu sehen. Leider ist der Verlauf der Oertze nicht weiter nördlich fortgesetzt worden. Bei dem von rechts kommenden „Sinerbeki“ handelt es sich um den heutigen Landwehrbach mit einem seiner beiden Quellbäche, der Schmarbeck. Dort wo „Pag.Grete“ steht, würde von rechts die Kleine Oertze kommen, die aber nicht eingezeichnet ist.


In der zweiten Karte ist die Oertze dagegen komplett nicht mehr enthalten.


Das Buch – ohne die Karten - findet man auch bei Google.Books. Dort müssen die Suchwörter allerdings einzeln eingegeben werden, wobei man über die Suchfunktion nur dann fündig wird, wenn die genaue Schreibweise der Wörter im Buch eingehalten wird. Das sind “Örze“ und „Ursinna“ sowie „Örrel“ oder „Orrel“ eventuell auch „Derrel“, weil die Suchfunktion die Schriftart falsch ausliest. In allen Fällen handelt es sich in diesem Buch aber um Oerrel bei Hankensbüttel im heutigen Landkreis Gifhorn.

           opacplus.bsb-muenchen.de

  


Anhand dieser Quellen steht fest, dass die (Große) Oertze in früheren Jahrhunderten „Ursena“ oder „Ursinna“ genannt wurde, wobei auch abweichende Schreibweisen dieses Namens vorgekommen sind. Über den ursprünglichen Namen unseres Baches habe ich dagegen nicht konkretes gefunden, halte aber „Urla“ für wahrscheinlicher als „Orla“. In alten Landkarten findet man den Bach erst, als er schon Kleine Oertze genannt wird. Nur im „Altdeutschen Namenbuch“ von Förstemann aus dem Jahr 1915 ist zur Kleinen Oertze ein kurzer Hinweis zur Herleitung von „Orla“ vermerkt. Diese Herleitung wird dort auch für den heutigen „Oerrelbach“ in Oerrel bei Hankensbüttel angegeben.

Fazit: Ursprünglich wurde die (Große) Oertze „Ursena“ (Lateinisch: Ursenae) genannt, was vermutlich „Auerochsenfluss“ bedeutet. Dieser Name änderte sich zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert wahrscheinlich durch den Einfluss der mittelniederdeutschen Sprache in „orsßen“. Dazu könnte aber auch beigetragen haben dass die Auerochsen um diese Zeit herum in Norddeutschland ausgestorben waren. Im „Mittelniederdeutschen Wörterbuch“ von Gerhard Köbler findet man folgende Wörter, die zu einem Übergang beigetragen haben könnten: „ur“ = Auerochse. Aber auch „urosse“ = Auerochse und „osse“ = Ochse oder Stier.

Außerdem aber auch: „ors“ oder „urs“ = Ross oder Pferd.


Wurde der Fluss durch die Änderung der Sprache vom „Auerochsenfluss“ zum „Pferdefluss“? Trifft diese Herleitung des Namens zu, wäre sie so ähnlich, wie die von Wilhelm Wolter in seinem Buch über Munster erwähnte Herleitung von „horz“, die dieser aus dem Buch „Goldene Äpfel in silbernen Schalen“ von Louis Harms, dem Gründer der Hermannsburger Mission, übernommen hat. Nach dessen Tod veröffentlichte sein Bruder Theodor Harms 1867 das Buch bereits in der 3. Auflage, wo die betreffende Stelle auf den Seiten 11 und 12 zu finden ist:

   
(…) so müsse er erst nach dem ´Billing der langbeenten Horzsachsen´ gehen, der in ´Harm`s ouden Dorp´ wohne an dem Flüsse ´Horz´. Dieser Fluß ´horz´ ist aber die Oerze und der Name soll daher kommen, wie die Chronik vermeldet, weil dieser Fluß laufe und springe wie ein Horz, d. h. ein Pferd, und weil viele Horze (Pferde) am Ufer derselben weideten, denn der größte Reichthum der Sachsen, unserer Vorfahren, bestand in Vieh, besonders in Pferden(…)“ Und etwas weiter heißt es dann „Die Sachsen (…) werden „Horzsachsen“ genannt, entweder weil sie an der Horz (Oerze) wohnten, oder weil sie fast sämmtlich beritten waren und viele Horze (Pferde) hatten.

Dieser Text wurde 1878 gleichlautend in das „Hermannsburger Missionsbüchlein für Kinder“ und dort ins Kapitel „Hermannsburgs Geschichte aus alter Zeit“ übernommen. Beide Bücher findet man u. a. auch bei Google Books.

In Bezug auf die Kleine Oertze habe ich bisher keinen Nachweis für einen früheren Namen gefunden. Dass der Name „Orla“ gewesen sein soll, bleibt meines Erachtens ebenso spekulativ wie alle anderen hier in Betracht gezogenen Möglichkeiten. Allerdings dürfte der Name auch früher schon in sehr engen Bezug zur Großen Oertze – also zu „Ursena“ - gestanden haben. Nur so wäre der heutige Name Kleine Oertze sinnvoll zu erklären. Darauf, dass unser Heidebach in früheren Jahrhunderten eher unbedeutend war, deutet auch der von mir gefundene Text in dem 1702 erschienenen Buch Neu-vermehrter und biß Anno 1702 continuirter Regenten-Sahl, oder: Beschreibung der heutigen, so wol in Europa, als anderen Theilen der Welt regierenden Hohen Personenvon Sigismund Hosmann hin. In diesem 1.014 Seiten umfassenden Buch beschreibt der Autor auf den Seiten 656 und 657 unter „Müden an der Oertze“ den gesamten Verlauf des Flusses von der Quelle bei Breloh bis zur Mündung in die Aller bei Winsen. Darin erwähnt er alle größeren Nebenflüsse der Oertze. Die Kleine Oertze erwähnt er dabei nicht. Wörtlich schreibt Sigismund Hosmann:

Müden an der Oertze. Die Oertze entspringt in der Gegend der Raubkammer unweit Bredelau, gehet auf Munster, Sutting, Tobing, ferner durchs Kirchspiel Müden, auf Pötzen / nimt an der Lincken Seiten / den Hamikenbosteler-Beeck / welcher bey Hamikenbostel aus dem Zusammenfluß der Schmarbecker-Beeck und Sothriether-Beeck entstanden / und fleust so dann auf Müden zu. Nimmt daselbst die von der Rechten herrinnende Witze ein / fällt nach Willigenhusen, tritt ins Caspel Hermanns-Burg und verschlinget bey Lutter die Brunau / ferner denn aus dem Holze / die kalte Hoffstube genandt /und durch den Wesen-Sunder bey Wesen herkommenden Wesenerbeeck, und eilet nach Hermannsburg, ferner auf Schlüpke, und läst bey Oldendorff die aus dem Holtze / die Angerbeeck geheissen / herschiessende Angerbeeck in ihr linckes Ufer fallen / treibet zu Bentzen eine Mühle / läst Sevelo,  Mielen, Rehwinckel etwas zur Lincken liegen / fleust zwischen der Sülze und Eversen nach der Ampts-Voigdey Winsen zu / läufft an Feuerschützen-Bostel hin / läst an der Lincken Wulthausen, und eilet nach der Aller / in welche sie / zwischen Winsen und Steden, ihr Forellen-reiches Wasser hinein schüttet.“

Die heutigen Namen der erwähnten Orte und Bäche in der Reihenfolge des Textes:
Munster, Sültingen, Kreutzen Poitzen, Landwehrbach, Hankenbostel, Schmarbeck (Bach) und Sothrieth, Wietze, Willighausen, „Caspel“ ? – evtl. Kirchspiel (Hermannsburg), Lutter, Brunau (Bach), „Kalte Hofstube“ war ein Waldgebiet, Weesen, Weesener Bach, Hermannsburg, Schlüpke, Oldendorf, Angelbach (Angelbeck), Beutzen, Severloh, Miele, Rehwinkel, Sülze und Eversen, in die Vogtei Winsen, Feuerschützenbostel, Wolthausen in die Aller zwischen Winsen und Stedden.

Das Buch ist online beim MDZ - Münchener DigitalisierungsZentrum der Bayerischen Staatsbibliothek unter folgendem Link zu finden, wobei die betreffende Fundstelle angezeigt wird. Falls nicht, bitte die Suchbegriffe „Oertze Oerge“ eingeben.


Rund 60 Jahre später zitiert Christian Ulrich Grupen diesen Text von Hosmann in seinem 1766 erschienen Band 2 der „Origines Germaniae oder das älteste Teutschland unter den Römern, Franken und Sachsen“, in dem er im „Capitel 6“ die „Flüsse im Lüneburgischen“ beschreibt. Darunter auch im „§ 8“ die „Örtze, URSENA“, in dem er zuerst auf die Grenzbeschreibung des Bistums Verden von 786 eingeht und dann den Text von Hosmann übernimmt, wobei er die Orte in der zu dieser Zeit gültigen Schreibweise wiedergibt.  Auch dieses Buch ist online beim MDZ unter folgendem Link zu finden (Suchwörter hier: „Ursena Orge“):


Das gleiche Buch bei Google Books:


Es werden weitere Seiten im Buch angezeigt, auf denen die Oertze (in der Suchfunktion bitte Orge eingeben) zu finden ist.

Bevor wir uns mit diesem Buch noch etwas weiter befassen, müssen wir aber noch einmal ins „Hamburgische Urkundenbuch Nr. 1“ von Johann Martin Lappenberg schauen, denn dort finden wir im „Geographischen Register“ auf Seite 825 (Online 867) über dem Eintrag „Ursena, die Oerze“ den für uns sehr interessanten Eintrag „Urla, Ohrel, K. (Kirchspiel) Selsingen, A. (Amt) Zeven.“ Die entsprechende Urkunde findet man im Buch, wenn man in der Suchfunktion „Urla, Vrla, Ohrel“ eingibt. Vrla deshalb, weil im lateinischen Text der alten Urkunde oft „V“ statt „U“ verwendet wurde.



Das heute noch „Ohrel“ genannten Dorf ist ein Ortsteil von Anderlingen, das zur Samtgemeinde Selsingen im Landkreis Rotenburg/Wümme gehört. An den ursprünglichen Namen erinnert dort das „URLA-Hus“, ein kleines Museum.

Offen bleibt, ob der an dem Ort vorbeifließende Duxbach früher auch „Urla“ geheißen hat. Im „Altdeutschen Namenbuch“ von Ernst Förstemann findet man „Urla“ mit der Herleitung von „UR“, also vom Auerochsen. Allerdings bezieht sich Förstemann nicht auf einen Fluss bzw. Bach innerhalb Norddeutschlands, sondern verweist auf eine österreichische Fundstelle, über die ich nichts Näheres herausfinden konnte. Allerdings könnte es sich bei der Endung -la auch nur um ein Suffix handeln oder um eine „Grenzmarke“. Darauf gehe ich etwas weiter unten noch ein.


Wenn sich Ohrel von „Urla“ ableitet, müsste doch der ursprüngliche Name von Oerel bei Bremervörde einen ähnlichen Namensursprung haben. Und tatsächlich wurde Oerel das erste Mal im Jahr 937 in einer Schenkungsurkunde von König Otto I., dem späteren Kaiser Otto dem Großen, an die Abtei Magdeburg als „Urlaha“ urkundlich erwähnt.  Den Text dieser alten Urkunde habe ich in zwei historischen Büchern wiedergefunden. Zum einen im „Historia Genealogica Principvum Saxoniae Svperioris“ von Johann Georg von Eckhart aus dem Jahre 1722 und zum anderen im „Das Teutsche Reichs-Archiv. 16: Des Teutschen Reichs-Archivs Spicilegii Ecclesiastici Fortsetzung des I. Theils von Ertz-Stifftern Auch Teutschem und Johanniter-Orden“ von Johann Christian Lünig. Dieses aus 24 Bänden bestehende „Teutsche Reichs-Archiv“ wurde von ihm zwischen 1710 und 1721 herausgegeben.

Diese wie auch die weiteren hier erwähnten Bücher findet man online im Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) und in der Digitalen Bibliothek des Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ).



Und auch in dem aus dem Jahr 1722 stammenden Buch „Kern-Historie des Heil. Römischen Reichs Teutscher Nation“ von Christian Gottlob Pitschmann  sind auf der Buchseite 68 die Orte „Vrlaha und Ottingha“ im Gau „Vimnmoti, Wimoti“ aufgelistet.




Jetzt wieder zurück zum 2. Band von Christian Grupens „Origines Germaniae oder das älteste Teutschland unter den Römern, Franken und Sachsen“ in dem er auch auf die Urkunde aus dem Jahre 937 und dem darin erwähnten „Urlaha“ im Zusammenhang mit „Ohrel“ – er gebraucht diese Schreibweise für Oerel bei Bremervörde – eingeht. Er erwähnt auch „Orel“ (für Ohrel)  bei Selsingen. Entweder galt 1766 diese Schreibweise oder Grupen hat es einfach so geschrieben.


Im „Altdeutschen Namenbuch“ findet man „Urlaha“ sowohl unter „UR“, also abgeleitet von „ûro bubalus“ bzw. „urus“, dem Auerchsen, als auch unter „LAC“ was laut Förstemann vom Althochdeutschem Wort „laha“ abgeleitet ist und so viel wie „Grenzmarke in einem Baume“ bedeutenden könnte (was er selbst aber als nicht gesichert ansieht). Das würde bedeuten, dass der Ort an oder in der Nähe einer Grenze – vermutlich der damaligen Gau-Grenze – gelegen haben dürfte.



Auch Förstemann verweist unter „Urlaha“ auf die Schenkungsurkunde von 937 und auf die Angabe des „Pago Wimoti“. Unter „wimoti“ findet man in dem Buch den Hinweis auf den sächsischen Gau Wigmodi (Wimoti), von dem man weiß, dass er an der Weser nördlich von Bremen lag. Auch wenn die genaue Ausdehnung nicht bekannt war, wurde aufgrund des Urkundentextes in diesem Gebiet nach den Orten gesucht, auf denen die altsächsischen Namen zutreffen könnten.


In dem 1829 von August von Wersebe veröffentlichten Buch „Beschreibung der Gaue zwischen Elbe, Saale und Unstrut, Weser und Werra. Mit einer Charte“ geht dieser auch auf diese Urkunde und den „Pagus Wigmodi“ ein. So schreibt er, dass „Urlaha wie ich mit Falcke *) annehme, das Kirchdorf Oerel, im Amte Bremervörde; Ottinga kann wohl das benachbarte Oese (Ottensen) seyn“.  Er geht darauf noch ausführlicher ein, schreibt dann aber auch: „Etwas befremdet scheint zwar in Hinsicht auf jenes Urlaha und Ottinga der angegebene Comitatus Wigmanni. Von diesem Wichmann wissen wir eigentlich nicht, daß er  irgend eine Gaugrafschaft gehabt hätte, indessen läßt sich daraus, daß Wichmannsborstel an der westlichen Grenze des Gau Mosde, und wiederum Wichmannsburg, Amts Medingen und Wichmannsdorf, Amts Ebstorf an der südöstlichen Grenze des Bardengau nach ihm benannt sey; (…)“.


Meines Erachtens deutet Wersebe damit an, dass man in Bezug auf „Wigmanni“ (Wichmann) diese Orte im Bereich der Ämter Ebstorf und Medingen vermuten würde. Könnte da nicht irgendeine Verbindung zu unserem Oerrel bestehen? Dieser Frage bin ich anhand der in den Büchern von Wersebe  und Förstemann aufgeführten Quellenangaben nachgegangen.

*) Beginnen wir mit Johann Friedrich Falcke, von dem Wersebe schreibt, dass er mit ihm übereinstimmt, dass es sich bei dem Ort „Urlaha um Oerel bei Bremervörde handelt. Falcke erwähnt in seinem 1752 erschienenen Buch „Codex Traditionum Corbeiensium“  unter der Ziffer 6 (bitte beachten, dass die Hervorhebungen der Suchanzeige auf dieser Seite fälschlicherweise immer zwei Zeilen höher angezeigt werden) im Abschnitt „De Pago Wimoa“ wörtlich aus dem lateinischen übersetzt: „und unter dem Ort Urlaha verstehen wir Orle, einen Ort unweit der Stadt Bremervörde“ und gibt als Quellen unter anderem die beiden von uns oben erwähnten Bücher von Lünig (Luniggii) „Reichs Archiv Spicileg. Eccles“  und von Eckhart (Eccardi) „Historia Genealogica Principum Saxoniae Superioris“ an.


Bei der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) ist das gleiche Buch ebenfalls einsehbar, wobei hier auch die zum Buch gehörenden Karten sichtbar sind. Diese Karten wurden vom Autor Johann Friedrich Falke ebenfalls im Jahr 1752 angefertigt.  Unter dem nachfolgenden Link wird die Karte, in der Urlaha (= Oerel bei Bremervörde) eingezeichnet ist, angezeigt,


1858 erschien Wilhelm von Hodenbergs Buch „Die Diöcese Bremen und deren Gaue in Sachsen und Friesland, nebst einer Diöcesan- und Gaukarte“, in dem er auch die Geschichte des „Pagus Wigmodia“ beschreibt und auf die Urkunde vom 11. Oktober 937  (Seite 9 § 24) eingeht. Er verweist darauf, dass Wersebe in seiner Gaubeschreibung „Vrlaha“ als das Kirchdorf „Oerel“ im Amte Bremervörde (…) bezeichnet. In der dazugehörigen Fußnote erwähnt er noch, dass die Orte „Vrlaha und Ottingha“ laut Ledebur*) in einem eigenen Gau ist Westfalen zu suchen seien, was aber im Widerspruch mit dem in der Urkunde enthaltenen Nachsatzes nicht stimmen kann. Insofern erwähnt von Hodenberg in seinem weiteren Beschreibungen der Grenzen immer wieder Oerel als den Ort „Vrlaha“. (In der Suchfunktion unbedingt auf die Schreibweisen Vrlaha und Derel - statt mit O mit D schreiben- achten!)




*) Dr. Leopold Freiherr von Ledebur war ein Historiker, dem Heinrich Böttger – ebenfalls ein Historiker  -  eine Widmung im 2. Band seines umfangreichen Werkes „Diöcesan- und Gau-Grenzen Norddeutschlands zwischen Oder, Main, jenseits des Rheins, der Nord- und Ostsee“ vorangestellt hat. Aber auch Böttger hat in diesem 1874 herausgekommenen Buch darauf hingewiesen, dass Ledeburs Annahme, dass „Vrlaha und Ottingha“  in Westfalen im Bistum Münster zu suchen sei, nicht zutreffen kann (Seite 167 Fußnote).





1875 erschien der 3. Band, in dem Heinrich Böttger noch einmal etwas ausführlicher auf Ledeburs Widerspruch eingeht.



Im „Altdeutschen Namenbuch“ verweist Ernst Förstemann unter „Urlaha“ auf den „Codex diplomaticus Anhaltinus 1. Theil“ von Otto von Heinemann aus dem Jahre 1867, der sich wiederum in seinem Buch unter anderem auf „Eccardi“ (= Johann Georg von Eckhart) bezieht.




Aber warum beschäftige ich mich hier so ausführlich mit dem Namen „Urlaha“, wenn es sich dabei doch um den Ort Oerel bei Bremervörde handelt? Wie wir erfahren haben, gab es Historiker, die den Ort „Urlaha“ auf in Westfalen vermuteten. Da könnte es doch sein, dass es noch andere Historiker gab, für die ebenfalls andere Orte in Frage kamen. Und tatsächlich habe ich eine Quelle gefunden, in der es einen Hinweis darauf gibt, dass es sich bei „Urlaha“ auch um unser Oerrel handeln könnte.

Fündig geworden bin ich auf der Internetseite „RI – Regesta Imperii“ der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz unter dem Eintrag RI II, 1 n. 72:  „Otto I. 937 Okt. 11., Taremburch (= heute Derenburg OT von Blankenburg im Harz) schenkt dem Kloster S. Moriz zu Magdeburg im Nordthüringau (…) die Orte Urlaha und Ottingha im Gau Unimoti (vgl. Atlas von Sprunner-Menke, Karte No. 33, dann Oerrel Landdr. (= Landdrostei) Lüneburg, Amt Soltau und Oettingen w. Verden, während Böttinger Diöcesangrenzen 2, 155 Unimoti als Fehler für Wigmodia hält und die Orte auf Oerel und Engea, Landdr. Stade, Amt Bremervörde deutet) in der Grafschaft Wigmanns nebst dem von Erzbischof Adaldag (von Hamburg) ihm übergebenen dortigen Zehent, (…)  Im weiteren Text werden noch mehr der Quellen angeführt, die wir hier schon erwähnt haben. Über den nachfolgenden Link kann man sich den kompletten Text ansehen.  


Dort findet man auch den Link zur Digitalen Bibliothek des Münchener Digitalisierungs-Zentrums /BSB. Der Text stammt nämlich aus dem 1893 veröffentlichten Buch „Die Regesten des Kaiserreichs unter den Herrschern aus dem Sächsischen Hause 919 – 1024 – Nach Johann Friedrich Böhmer“ (*) neu bearbeitet von Emil von Ottenthal. Dort zu finden auf der Buchseite 41 (Online 43). Da die Qualität nicht so gut ist, steht hier die  automatische Suchfunktion nicht zur Verfügung.



(*) Der Zusatz im Buchtitel: „Nach Johann Friedrich Böhmer“ macht deutlich, dass Ottenthal das ursprünglich 1844 von Böhmer herausgegebene Buch neu überarbeitet und 1893 in Österreich neu herausgegeben hat.



Demnach gab es bei der Zuordnung der Ortsnamen „Urlaha und Ottingha“ unterschiedliche  Meinungen. Während wir Böttingers Ansichten bereits angeschaut haben, müssen wir uns jetzt noch den „Atlas von Spruner-Menke“ anschauen, denn darin soll Oerrel im Amt Soltau als ehemaliges „Urlaha“ verzeichnet sein.

Den „Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit von Dr. Karl Spruner von Merz, habe ich in der von Dr. Theodor Menke bearbeiteten 3. Auflage aus dem Jahre 1880 bei „Kulturerbe Niedersachsen“ gefunden. Die Erstausgabe erschien in mehreren Teilen bereits zwischen 1848 bis 1853. Heinrich Theodor Menke leistete wesentliche Beiträge zur zweiten und dritten Auflage.



Auf dem Kartenblatt No. 33 „Deutschland´s Gaue III – Sachsen. Nördliches Thüringen von Th. Menke finden wir „Urlaha“ dort eingezeichnet, wo heute Oerrel liegt. Allerdings ist die (heutige) Kleine Oertze nicht auf der Karte eingezeichnet. Dafür aber die „Ursinna“ (= Große Oertze), an der Mutha (Müden/Oertze) und Hermannesburc (Hermannsburg) eingezeichnet wurden. Auffällig ist, dass die Ursinna (Oertze) einer der wenigen Flüsse ist, deren ursprünglicher Name aus dieser historischen Zeit überliefert war und daher in dieser Karte benannt werden konnte.
  
Ausschnitt aus der Karte No. 33 - Quelle: Commons


Bei Kulturerbe Niedersachsen wird auf den Rechteinhaber: Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung hingewiesen. Es handelt sich wie bei den anderen hier verlinkten Quellen um eine „Public Domain“ auf der kein Copyright liegt. Bitte beachten Sie dennoch die dort jeweils angegebenen Bestimmungen.

Der 3. Link führt zu „Wikisource“. Auf dieser Seite kann das Kartenblatt 33 einschließlich der dazugehörigen ausführlichen Textbeschreibung aus dem Hand-Atlas von 1880 aufgerufen werden.




Wenn Karl von Spruners  und Theodor Menkes Vermutungen zutreffen würden, wäre nicht Oerel bei Bremervörde sondern Oerrel im Amt Soltau in der Urkunde vom 11. Oktober 937 erwähnt worden. Allerdings konnte dies nicht zutreffen, da alle in der Urkunde erwähnten Orte im Gau Vinmoti / Wimoti lagen und dieser Gau lag nun mal nördlich von Bremen. Es sei denn, der Name des Gaues war falsch geschrieben oder später falsch übersetzt worden, wie Spruner und Menke annahmen.

Theodor Menke änderte das Kartenblatt No. 33 auch nicht in der 3. Auflage seines Atlas, obwohl bereits 1875, also nach Veröffentlichung der beiden vorangegangen Auflagen, im 5. Band des „Archiv des Vereins für Geschichte und Alterthümer der Herzogthümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln zu Stade“ der „Vom Gymnasialdirector Krause in Rostock“ verfasste Artikel  „Zu v. Spruner-Menke´s Gau- und Diöcesankarten“ veröffentlicht wurde. Dieser schreibt dort ab Seite 433 (online 470) einen insgesamt 13 Seiten umfassenden Artikel über diesen Hand-Atlas. Nachfolgend einige Auszüge daraus zum „Gau Unimoti (Karte 33, Deutschlands Gaue III):

Der Gau ist nach Angabe des Vorberichts, S. 22 wesentlich von Schumacher construirt, die genauen Angaben fehlen leider, wenn auch natürlich, der Karte; eine critisirende Nachweisung ist daher schwer. Nur 4 Orte werden im Gau genannt: Schezla (Scheessel), Tuschensen (wohl Kl. Häuslingen), Urlaha (Orle an der kleinen Oerze im Lüneburgischen) und Otingha (Oding, Ottingen), im Kirchsp. Visselhövede, an der Grenze des Stifts Minden. Schon die Lage dieser Orte würde dem Gau eine absonderlich gestreckte und krumme, wenn auch nicht unerhörte Lage anweisen. (…)

(…) Fällt Schezla weg, so sicherlich auch Urlaha und Otingha. Sie sind in der bekannten Urkunde Otto I. von 937 für Magdeburg als in comitatu Wigmanni und „in pago Unimoti“ liegend genannt.“ (Anmerkung: Dazu verweist er in der Fußnote auf Wilhelm v. Hodenberg´s Buch Diöces Bremen). „da Erzbischof Adaldag von Bremen auf den Zehnten der beiden Dörfer, schwerlich als Gutsbesitzer, verzichtet, so müssen sie in der Diöcese Bremen liegen, und es ist nicht ein Gau Unimoti in dem Hauptbereich der Billungschen Erbgüter wegen des comitatus Wigmanni zu costruiren, sondern es sind alle 4 Namensbezeichnungen im Stifte des Erzbischofs Adaldag aufzusuchen, wo sie sich auch finden, sobald mit Wedekind, v. Wersebe und v. Hodenberg Unimoti = Wimoti (Wigmodien) gelesen, oder Unimoti als aus Unkenntnis der Localitäten für Wimoti verschrieben angenommen wird.“

Urlaha ist ferner schon seit von Wersebe im Kirchspiel Oerel Amts Bremervörde gefunden; (…)

Es ist darnach der ganze Gau Unimoti zu streichen, Schelza ebenso als nicht so alt bezeugt; Urlaha und Othingha gehören in den engern Wimodi bei Bremervörde. (…)

Der Theil des angeblichen Unimoti, in welchem Menke Urlaha an der kleinen Oerze finden wollte, wird übrigens von v. Hammerstein als Goh Schmarbeke (Schmarpke, Schmalke) oder Munster zum Bardengau gerechnet. (…)



Nun könnte man unterstellen, dass der Verein für Geschichte und Altertümer (…), der seinen Sitz in Stade hatte und dessen Mitglieder laut der im Buch enthaltenen Mitgliederliste (Online-Seite 32) – darunter auch der Pastor aus Oerel – alle aus dieser Gegend kamen, die Sache aus lokaler Sicht betrachtet und es daher gar nicht anders sehen konnte. Da aber auch alle anderen Historiker der Ansicht waren, dass es sich bei „Urlaha“ um Oerel bei Bremervörde handelt, lässt das keine andere Schlussfolgerung zu.

Unabhängig davon, welches Oer(r)el das richtige „Urlaha“ ist, fällt einem aber der Namensursprung von  „UR“ – also vom Auerochsen – auf. Vielleicht haben Spruner und Menke deswegen beim Namen „Urlaha“ eine Verbindung zur „Ursena“ – der Oertze – gesehen und sich deshalb für Oerrel an der Kleinen Oertze als das in der Urkunde erwähnte „Urlaha“ entschieden.
Könnte es daher nicht sein, dass unser Oerrel  – wenn es denn schon wesentlich früher als 1309 existiert haben sollte – ursprünglich auch „Urlaha oder Urla“ genannt wurde. Da Förstemann in seinem „Altdeutschen Namenbuch“ die Endung „-laha“ bzw. „-la“ mit der Bedeutung „Grenzmarke (in einem Baum)“ beschreibt, müsste hier eine Gaugrenze oder eine sonstige „Schnede“ (= Grenze) verlaufen sein. Spruner und Menke haben eine Grenze durch die „Konstruktion“ des Gaues „Unimoti“ in ihrer Karte eingezeichnet. Doch gab es die wirklich?

Ansonsten habe ich in keinem der hier von mir vorgestellten Bücher einen Hinweis auf unser Oerrel oder auf die Kleine Oertze gefunden. Was daran liegen könnte, dass es den Ort Anfang des 11. Jahrhunderts noch nicht gab oder, dass er einfach nirgends erwähnt wurde, weil er abseits von irgendwelchen Grenzen lag oder es keinerlei erwähnenswerte Besitzansprüche herrschender Personen gab. Ohne einen urkundlichen Nachweis aus dieser Zeit kommen wir also nicht weiter. Und den gibt es „erst“ seit 1309 und da heißt das Dorf „Orle“.

Wie aus dem hier unter „Unser Oerrel in alten Karten“ aufgeführten Namensvergleich ersichtlich ist, war „Orle“ um 1700 auch der Name der anderen Dörfer Oerrel und Oerel. Und auch danach entwickelten sich die Ortsnamen ähnlich. Beim heutigen Oerel war in den früheren Namen immer ein „h“ enthalten, was bei den früheren Namen der beiden Oerrels mit doppeltem „r“ nicht vorkam.

Werfen wir noch ein Blick in den 2. Band (Buchstaben K bis Radruz) der „Encyklopädie der Erd-, Völker- und Staatenkunde“ von Wilhelm Hoffmann aus dem Jahr 1866. Dort findet man die vier Dörfer in ihrer damaligen Schreibweise verzeichnet. In der Suchfunktion muss aber unbedingt „Derrel, Derel, Dehrel, Dhrel“ (statt O ein D!) eingegeben werden.



Und auch im „Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover“ von 1848 wurden unsere vier Dörfer von den Autoren Friedrich W. Harseim und C. Schlüter auf mehreren Seiten aufgelistet. In der Suchfunktion müssen auch hier wieder die vier Namen mit „D“ statt „O“ geschrieben werden. Oerel bei Bremervörde taucht in diesem Buch mehrfach auf, da das Dorf als Kirchspiel jeweils auch bei anderen Dörfern in der Spalte „Pfarre“ aufgeführt wurde.




Nachdem unser Oerrel nicht dieses „Urlaha“ gewesen sein kann und es keinen urkundlichen Beweis für „Orla“ als ursprünglichen Namen der Kleinen Oertze gibt, müssen wir den Ursprung des Dorfnamens woanders suchen. Vielleicht hilft uns da das Buch von Christian Ulrich Grupen „Origines Germaniae oder das älteste Teutschland unter den Römern, Franken und Sachsen, Bd. 2“ ein Stück weiter.

Darin beschreibt er nämlich auf mehreren Seiten den „DANLO“, bei dem es sich wohl um ein größeres Waldgebiet gehandelt hat. Gruben schreibt auf Seite 325 (online 340): „DAN-LO heißet (…) ein Dannen-Gehölze, welche im Lüneburgischen in der Menge vorfindlich“. Der DANLO war also ein großer Tannenwald, von denen es damals viele im Lüneburgischen gab. Das Gebiet erstreckte sich zwischen der Seve im Westen und der Gegend bei Wittingen im Osten. Grupen schreibt (S. 326), dass zum Danlo das „Garrelstorfer Holz, die Raubkammer, mit denen Holzungen, die specielle Namen angenommen, als Süwerwalsch-Holz (im) Amt Ebstorf, kalte Hofstube Amtsvogtey Hermannsburg.

Die großen Waldungen in Deutschland verlieren guter maßen ihre generale Benennungen und nehmen von den Dörfern, woran sie liegen, specielle Namen an. Das Wort STUS-TAN-LE in praesepto Ludov. Pii de Terminis Hildes. Dioecesis, jetzt Stut-lo, komt dem Dan-lo nahe. Dabey sind im Lüneburgischen mehrere Dörfer und Holzungen, die sich in Lo termininiren, als Wolmers-lo, eine Holzung bey Havekost, Ripper-lo, Zum-lo, Schelp-lo, Dörfer in der Vogtey Bedenbostel. (…)

(…) Die Raubkammer in der Amtsvogtey Amelinghausen bey Bispingen, zwischen der Luhe und Örze, einige Meilen von der Seve, tritt auch in Augenmerk, und macht, wenn sie zumahl mit der Süwerwaldischen Holzung Amts Ebstorf, und mit der kalten Hofstube der Amtsvogtey Hermannsburg connectiret, eine große Waldung aus. (…)

(…) Hunkesbotle jetzo Hanningsbutle ohnweit Isernhagen ist im Amt Gifhorn, und gehet Ottonis IV Portion in der Schnede von Danlo nach Hankensbüttel, wohin es eingepfarret, liegt auch ohnweit der Ise, Isenbrock (…)


Nach dieser Beschreibung haben die beiden heutigen Oerrel im Gebiet des Danlo gelegen. Damit haben wir neue Anhaltspunkte für unsere Spurensuche. Die Suche geht weiter.
weiter geht es hier
  
Zurück zum Seiteninhalt